Juedische Schaetze

Buch über jüdische Schätze aus Niederzissen

Historie Für Düsseldorfer Professor sind Genisa-Funde in der ehemaligen Synagoge von bundesweiter Bedeutung

Hans-Willi Kempenich

Niederzissen. Das Interesse am Buch „Zeugnisse jüdischen Lebens in Niederzissen“ ist groß. So groß sogar, dass bei der Vorstellung des Werkes über die Genisa-Funde in der ehemaligen Synagoge für einige Besucher nur noch Stehplätze blieben. Die öffentliche Beachtung ist nicht weiter verwunderlich angesichts der Vielfalt und Vielzahl der geborgenen Relikte der jüdischen Gemeinde, die teilweise noch aus dem 18. Jahrhundert stammen. Als „einen der bedeutsamsten Funde in Deutschland in den vergangenen drei Jahrzehnten“, bezeichnet Prof. Falk Wiesemann, Historiker an der Uni Düsseldorf und Herausgeber des Buches, was auf dem Dachboden des früheren Gotteshauses entdeckt wurde.

Noch nicht alle Funde untersucht

Dass überhaupt so viele zum Teil mehr als 200 Jahre alte Druckwerke, Handschriften und Textilien bis heute erhalten sind, ist einem jüdischen Glaubensbrauch zu verdanken. Danach dürfen alte Gebetbücher, liturgische Schriften und religiöse Utensilien keinesfalls weggeworfen werden, wenn sie nicht mehr brauchbar sind. Vielmehr werden sie in eine Genisa gegeben, die sich meist in der Synagoge befindet. Die Niederzissener Genisa ist so umfangreich, dass längst noch nicht alle Fundstücke untersucht werden konnten. „Insofern ist das Buch keine Dokumentation, sondern der Einstieg in die Erschließung“, sagte der Herausgeber.

Die Hoffnung auf eine Erweiterung und Intensivierung der wissenschaftlichen Untersuchungen hat auch Ortsbürgermeister Richard Keuler: „Noch zahlreiche Kisten und Säcke voller Fundstücke warten auf ihre Sichtung und Erfassung.“ Hoffnungsträger ist Prof. Andreas Lehnardt, Inhaber eines Lehrstuhls für Judaistik an der Uni Mainz, der die Aufarbeitung der Funde aus der Niederzissener Genisa in Form eines Projektes realisieren möchte und sich im Buch mit den religiösen Handschriften befasst.

Seine Mitarbeiterin Elisabeth Singer stellte einige Schriftstücke vor, Linda Wiesner zeigte und erläuterte eine Auswahl textiler Funde, über die sie im Buch schreibt und derzeit auch ihre Doktorarbeit verfasst. „Mit mehr als 200 Objekten handelt es sich um einen außergewöhnlich großen Fund“, stellte sie fest. Annette Weber, Professorin für Jüdische Kunst in Heidelberg, beschreibt zusammen mit Andreas Lehnardt die Projektperspektiven und die Einordnung der Niederzissener  Genisa. In seiner Begrüßung bedankte sich Ortsbürgermeister Richard Keuler bei allen, die Beiträge zum Erscheinen des Buches geleistet haben. Dazu gehören neben den Wissenschaftlern auch Brunhilde Stürmer und Gisela Reichrath aus Niederzissen sowie Gerd Friedt aus München, die sich mit der jüdischen Geschichte in Niederzissen befassen.

Danke sagte Keuler aber auch einigen Sponsoren für finanzielle Unterstützung, ohne die ein Verkaufspreis von 15 Euro nicht machbar gewesen wäre. Kreisbeigeordneter Fritz Langenhorst hob das Engagement der Gemeinde und des Kultur- und Heimatvereins bei der Sanierung des Synagogengebäudes und bei der Bergung der Genisa hervor: „Sie haben hier Vorbildliches geschaffen.“ Dem schloss sich Norbert Wagner, der Vorsitzende des Fördervereins, an: „Wunderbar, was aus dem Projekt geworden ist.“

Brunhilde Stürmer (von links), Falk Wiesemann, Elisabeth Singer, Gerd Friedt, Linda Wiesner, Gisela Reichrath und Richard Keuler haben mit Textbeiträgen zum Erscheinen des Buches beigetragen. Foto: Hans-Willi Kempenich

Rhein Zeitung Bad Neuenahr-Ahrweiler vom Mittwoch, 7. November 2012, Seite 20