Ausflug des Vorstandes Förderverein Zukunft Lantershofen e.V.

Ausflug des Vorstandes Förderverein Zukunft Lantershofen e.V. mit assoziiertem Mitglied des OrgaTeams „1000 Jahre Lantershofen“

Am 13.07.2019 besuchte der Vorstand des Fördervereins Zukunft Lantershofen e.V. im Rahmen seiner jährlichen Exkursion die Synagoge Niederzissen. Die Führung  wurde vom Vorsitzenden des Kultur-und Heimatvereins Niederzissen e.V. Herrn Richard Keuler und dessen Ehefrau durchgeführt.

Richard Keuler nahm seine Gäste in die Urgründe der jüngsten Niederzissener Zeitgeschichte mit. Er berichtete von einer großen jüdischen Gemeinde, die im Jahre 1808 bereits 181 Mitglieder zählte. Die französischen Reformen führten zu Eintragungen im neu geschaffenen Personenstandsregister, einhergehend mit der Annahme neuer bürgerlicher Namen durch die jüdischen Mitbürger. In der preußischen Ära konnte sich die Gemeinde weiter entfalten; allein es fehlte an einem Gebetshaus.

1838 erwarb die jüdische Gemeinde schließlich hierfür ein Grundstück, auf dem eine Synagoge  erbaut und am 3. September 1841 vom Oberrabbiner Dr. Aaron Auerbach aus Bonn feierlich eingeweiht werden konnte. Zu dem Synagogengrundstück gehörte ein Fachwerkhaus,  hinter dem sich die Mikwe, das jüdische Ritualbad, befand. Auf einem Ortsplan von 1890 wird der Bereich bereits als „Judengässchen“ bezeichnet; die umliegenden Häuser wurden allesamt von Juden bewohnt.

Am 10. November 1938 wurde im Rahmen der nationalsozialistischen Pogrome die Tür der Synagoge mit Äxten eingeschlagen und das Inventar zertrümmert. Anschließend wurde alles, auch Torarollen und Gebetbücher, auf die Straße geworfen. Wegen der dichten Bebauung um die Synagoge wurde das Gebäude nicht angezündet. 1939 wurde die Synagoge an einen Privatmann verkauft, der darin eine Schmiede einrichtete (Dieser Kaufvertrag wurde Anfang der 50ziger Jahre nach bundesrepublikanischem Recht noch einmal neu aufgesetzt). Die Schmiede, die nach und nach in eine Reparaturwerkstatt für landwirtschaftliche Maschinen und Gerät mutierte, bestand bis Ende des 20. Jahrhunderts.

Das ehemalige Synagogengebäude befand sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts in einem sehr heruntergekommenen Zustand. Das ehemals mit Schiefer gedeckte Dach bestand nun aus Eternitplatten , ein westlicher Anbau war erst nach 1945 angefügt worden. Die an der Südseite durchgebrochene Einfahrt, mit einem schiebbaren Eisentor versehen, ließ das ehemalige Portal der Synagoge nicht mehr erahnen. Die darüber sich befindlichen drei Fenster wurden ebenfalls nach 1945 in ihrer Höhe verkleinert.

Am 9. November 2009 beschloss der Gemeinderat Niederzissen den Kauf des Synagogengebäudes und im Februar 2010 erfolgte die Zusage der Kulturstiftung des Landes Rheinland-Pfalz, ein Drittel der Kosten des Ankaufs zu übernehmen. Das Gebäude wurde 2011 mit Finanzierungszusagen von über 90 % der Kosten restauriert und der äußere Zustand vor der Einrichtung der Schmiede wiederhergestellt. Die Farbigkeit im Innern, bis hin zu den Ornamentbändern, erfolgte aufgrund der Befunde eines Restaurators nach historischem Vorbild. Am 18. März 2012 wurde die ehemalige Synagoge als Erinnerungs- und Begegnungsstätte wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Im ehem. Werkstattanbau (der Schmiede) entstand nach modernen Gesichtspunkten ein jüdisches Museum. U.a. werden hier die auf dem Dachboden gefundenen rituellen Gegengenstände ausgestellt und geben u.a. Einblick in den „Alltag“ und „Werktag“ jüdischen Lebens und in jüdische Fest- und Gedenktage.

In sehr anrührender und kundiger Weise konnte Keuler von den Schicksalen vieler jüdischer Bürgerinnen und Bürger erzählen, aber auch von den Bemühungen einer Spurensuche seitens der Überlebenden des Holocaust und deren Nachfahren mit vielen unverhofften Begebenheiten und Ergebnissen.

Die Gäste vom Förderverein Zukunft Lantershofen e.V. waren sich nach dem Besuch einig: hier ist ein eindrucksvolles Monument deutscher Zeitgeschichte entstanden, welches hohe Anerkennung verdient und in seiner Art unbedingt für die Nachwelt erhalten werden muß – nicht zuletzt als mahnendes Zeugnis einer Zeit, in der Willkür und Unrecht über Vernunft und menschliches Miteinander obsiegten.

Ebenso anschaulich vermochte es Keuler darzulegen, wie sich aus einer Vision ein konkretes Konzept entwickelte, welches mit großem Engagement und unglaublicher Hartnäckig- und Standfestigkeit in kleinen Schritten teilweise auch gegen Widerstände  realisiert werden konnte, wobei natürlich auch finanzielle Aspekte nicht zu kurz kamen.

Gleich zu Beginn des Besuchs hatte Keuler, der in der Zeit von 2009 bis 2014 Ortsbürgermeister war, seinen Gästen die neu gestaltete Ortsmitte vorgestellt. Diese wird  im Nordosten vom alten Schulgebäude (zeitweise auch Feuerwehrgebäude) begrenzt und verläuft nach Südwesten über den großen Markt- und Festplatz hin zum jenseits des Wirrbaches neu eingerichteten Mehrgenerationenspielplatz. Das Ufer des Wirrbaches ist in diesem Bereich kindergerecht umgestaltet. Das anfangs skeptisch beäugte Konzept hat sich allerdings bewährt; längst ist diese neue Mitte, die übrigens auch in der Sichtachse zur Synagoge angelegt wurde, ein beliebter Treffpunkt besonders jüngerer Familien mit kleinen Kindern und hat sich zu einem Kommunikationsmittelpunkt entwickelt.

Ein Mittagessen in der Vulkanbrauerei in Mendig mit guten Gesprächen bildete den Abschluss der Exkursion, die bei den Teilnehmern großen Anklang fand.

Foto: Privat